Familienurlaub
Der Familienurlaub, bei dem jeder bekommt, was er sich wünscht
Es ist für Familien in der Regel eine große Herausforderung, alle Bedürfnisse unter einen Hut zu bekommen, besonders wenn die Kinder noch klein sind. Die gemeinsame Zeit im Urlaub ist dabei oft erst einmal ungewohnt: Plötzlich geht niemand zur Arbeit oder in den Kindergarten/in die Schule, und ganze Tage sind gemeinsam zu gestalten. So wertvoll diese Zeit ohne vorgefertigte Pläne ist, so herausfordernd kann sie auch sein. Vielleicht sind da viel Wünsche und erst einmal keine von aussen vorgegebene Struktur. Die Großen wollen sich endlich vom eng getakteten Alltag erholen, die Kleinen freuen sich, Mama und Papa endlich einmal den ganzen Tag für sich zu haben – und drehen so richtig auf.
Hier sind wir gefordert in unserer Qualität des Leuchtturm-Seins. Es gilt, mit etwas innerem Abstand auf den kommenden Tag zu schauen – was braucht wer, damit alle am Ende glücklich und zufrieden ins Bett gehen können?
Gucken wir doch, wie die fünfköpfige Familie Müller ihren Urlaub auf der Nordseeinsel Borkum verbringt: Mama Ulla und Papa Jochen, die kleine Lea (2), Anton (5) und Emil (10) wohnen dort in einem kleinen Bungalow mit zwei Zimmern auf einem Ferienhof mit anderen Familien.
Die Mutter begleitet die zwei Kleinen beim Spielen in einem Zimmer, damit der Vater und der große Emil noch etwas ausschlafen können. Lea und Anton werden immer lebendiger, so dass Ulla beschliesst, mit ihnen rauszugehen. Sie spürt, dass diese Lebendigkeit, diese Neugierde und Lebenslust Raum brauchen – drinnen ist das nicht möglich, ohne die anderen beiden zu stören.
Irgendwann sind alle wach, und Papa Jochen deckt den Frühstückstisch. Die Familie kommt zum Frühstücken zusammen. Im Anschluss gibt es einen kleinen Familienrat. Dieses Ritual kennen alle schon von den gemeinsamen Wochenenden. Es geht um die Frage, wer heute was erleben und tun möchte.
Ein hübscher Stein geht reihum, und wer ihn in der Hand hält, hat das Wort, während die anderen zuhören. Emil beginnt: „Ich möchte heute mit euch allen mit dem Piratenschiff fahren, das da unten im Hafen liegt.“
Anton nimmt den Stein: „Ich will ganz lange im Wasser sein und eine grosse Burg bauen.“
Die kleine Lea spielt kurz mit dem Stein und gibt ihn dann weiter an die Mama. Die bekennt: „Ich bin richtig müde und erschöpft und möchte einfach nur am Strand liegen und in meinem Buch lesen.“
Der Vater sagt: „Ich habe Lust mich zu bewegen. Eine Radtour fände ich toll!“
Die Eltern danken daraufhin allen für die Teilnahme am Redekreis und nehmen sich Zeit, um den Tag zu planen. Ulla fragt ihren Jochen: „Könntest du nicht deine Radtour zum Hafen machen, um mit Emil Piratenschiff zu fahren?“ – „Könnte ich wohl“, entgegnet Jochen. „Aber was machen wir mit den Kleinen und deinem Wunsch nach Ruhe?“
Darauf die Mutter: „Ich habe eine Idee. Wir fahren heute Vormittag alle mit dem Piratenschiff. Danach gehen wir etwas zum Mittag essen. Dann gehe ich allein an den Strand, und ihr vier macht mit dem Fahrradanhänger einen Ausflug zur Eisdiele im Nachbarort.“ Jochen ist einverstanden: „Klingt gut, Schatz. Packe du doch die Sachen für den Ausflug, und ich gehe mit den Kleinen schon mal vor die Tür, damit sie noch eine Stunde auf dem Spielplatz spielen können .“
Auch wenn Mama Ulla am liebsten sofort ihre Pause machen würde, ist die Aussicht auf eine längere Zeit ganz für sie allein am Strand schon einmal grossartig. Anders als Kinder können wir Erwachsenen unsere Bedürfnisse zeitlich aufschieben. Wenn die Kleinen zum Beispiel Bewegung brauchen, ist es wichtig, dass sie möglichst zeitnah Gelegenheit dazu bekommen.
Nach einer inspirierenden Fahrt mit dem großen Schiff und einem gelungenen Fahrradausflug, ist es später für die Kinder wunderbar, einfach am Strand mit Schippen, Eimer und Buddelförmchen zu spielen. Sie sind satt und gut versorgt mit Essen, Inspiration und Nähe.
Dieses Beispiel zeigt, dass es sehr unterstützend für unsere Kinder ist, wenn wir vorgeplante und ungeplante Zeit sorgfältig ins Gleichgewicht bringen.
Habt Mut, liebe Eltern, die Kleinen immer wieder ins eigenständige Spiel zu begleiten! Sie brauchen keine permanente Begleitung von uns.
Mama Ulla und Papa Jochen geniessen während des Spiels der Kinder am Strand Zeit zu zweit: einfach da sein, während die Kinder mit etwas Abstand ganz vertieft sind in ihr Tun mit Wasser und Sand. Falls sie mal in Streit geraten, unterstützen Mama oder Papa sie liebevoll, bis sie entspannt weiterspielen können.
Die Natur bietet wundervolle „vorbereitete“ Räume zur Entfaltung des freien Spiels. Die tiefe Verbindung zu dieser Natur und zu sich selbst, die dort entsteht, ist die Voraussetzung, um sich später für den Schutz der Umwelt einzusetzen.

