Schokoriegel – ja oder nein?
Wie fast alle Kinder liebt mein sechsjähriger Sohn Süssigkeiten. Bevor ich mich sehr intensiv mit der Beziehung zwischen Kindern und Erwachsenen beschäftigt habe, ließ ich mich oft von ihm überreden: „Mama, ich habe doch erst drei Kekse zum Kaffee gehabt. Oma hat mir diesen Schokoriegel geschenkt, und dann darf ich den jetzt auch essen.“
Heute weiss ich, wie wertvoll mein Nein an dieser und anderen Stellen in unserem Alltag ist – auch wenn es Mut kostet und nicht den leichtesten Weg darstellt.
Ich möchte, dass mein Sohn mich liebt und fühlt, dass ich ihn liebe. Doch bedeutet das, ihm alle Wünsche zu erfüllen? Es gibt Protest: „Blöde Mama!“ Wenn ich in mich hineinfühle, bekomme ich Angst vor dieser Wut-Energie; das ist eine Folge meiner eigenen Kindheitsgeschichte.
Es braucht Zeit, mich den Gefühlen in mir und denen meines Sohns zu widmen. Ich gebe dem Raum. Tief in mir weiss ich, dass sein Ärger gar nichts mit seiner Liebe zu mir zu tun hat. Dass sein Schimpfen ein gesunder Ausdruck von Protest ist, der sein darf. Ich bleibe also ruhig und liebevoll – und doch klar: „Du würdest ihn jetzt so gerne noch genüsslich verspeisen. Aber nein, mein Schatz, es gibt diesen Schokoriegel jetzt nicht. Du hattest schon die Kekse, und das ist für heute genug.“ Nach dem Sprechen dieser Worte, spüre ich, wie frustrierend und traurig das gerade für meinen Sohn ist. Zugleich weiss ich, wie wertvoll dieser kleine Loslassprozess als späteres Fundament für sein ganzes Leben ist. Denn immer wieder gibt es Dinge in unserem Leben, die wir nicht haben können. Wenn wir das schon früh – verbunden in der Liebe unserer Eltern – lernen dürfen, wird es so viel leichter, durchs Leben zu gehen! „Ich kann sehen, dass du ärgerlich und traurig bist.“ – Es ist so wertvoll, die Kraft der Gefühle da sein zu lassen und willkommen zu heissen, ohne dass ich mich von ihnen in meiner Klarheit umstimmen lasse.
Mein Sohn ist nach einigen Minuten, in denen ich ihn einfühlsam begleitet habe, fertig mit dem Ausdruck seiner Frustration und Traurigkeit. Es taucht die nächste Idee auf, was er tun könnte. „Dann gehe ich jetzt noch ein paar Kirschen pflücken.“ – „Sehr gerne, mein Schatz!“